Der Süßwasser-Biodiversität einen Platz am Tisch einräumen

„Der Biodiversitätsverlust im Süßwasser ist eine weltweite Krise, die buchstäblich unter der Wasseroberfläche verborgen ist“, stellt die Professorin Sonja Jähnig vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin fest. Die Biodiversitätsforscherin hat die Agenda zur Priorisierung der Forschungsthemen und Schutzmaßnahmen der Süßwasser-Biodiversität initiiert und zusammen mit 95 Forschenden aus 38 Ländern auf den Weg gebracht.

Die biologische Vielfalt im Süßwasser umfasst die Gene, Populationen, Arten, Gemeinschaften und Ökosysteme aller Binnengewässer. Sie erbringt wesentliche Leistungen, die als Lebensgrundlage für das Wohlergehen der Menschen von großer Bedeutung sind. Aller Wichtigkeit zum Trotz: „Gegenwärtig nimmt diese biologische Vielfalt in einem noch nie dagewesenen Ausmaß ab. Zahlen belegen das sehr eindrücklich“, sagt Sonja Jähnig.

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Der jüngste Living Planet Report dokumentiert für 3.741 untersuchte Populationen, die 944 Süßwasserwirbeltierarten repräsentieren, einen durchschnittlichen Rückgang der Bestände um 84 Prozent – innerhalb von 50 Jahren. Dies ist der stärkste Rückgang in den drei großen Bereichen Land, Meere und Süßwasser.

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Neue Agenda soll Biodiversitätsforschung und Umweltpolitik voranbringen

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Zur Genese der internationalen Agenda
Die Agenda wurde auf einem internationalen Workshop der Alliance for Freshwater Life im November 2018 in Berlin initiiert. Die Agenda spiegelt die kollektive Meinung der Autor:innen wider und basiert auf intensiven Diskussionen und Austausch von Wissen und Ideen im Jahr 2020. Bei den Autor:innen dieser Agenda handelt es sich um Forschende aus 38 Ländern, von denen 18 (47 %) als Länder des globalen Südens gelten. Von den 96 Autor:innen sind 28 (29 %) mit Universitäten und Forschungsinstituten in Ländern des Globalen Südens verbunden, und 16 (17 %) geben an, dass sie derzeit gemeinsam mit indigenen Völkern an der Bewirtschaftung und Erhaltung der Süßwasser-Biodiversität arbeiten. Daher sind die Autor:innen überzeugt, dass die vorgeschlagene Agenda mit ihren 15 Prioritäten eine repräsentative Meinungsvielfalt widerspiegelt.

Die 15 Prioritäten
Dateninfrastruktur
1. Erstellung eines umfassenden Überblicks über Daten, 2. Effektive Mobilisierung und Digitalisierung vorhandener Daten, 3. Entwicklung zugänglicher Datenbanken nach den Grundsätzen der Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit (FAIR-Datenprinzipien).

Monitoring
4. Koordinierung bestehender und Einrichtung neuer Monitoringprogramme, 5. Ermittlung und Behebung von Wissenslücken im Bereich der biologischen Vielfalt, 6. Entwicklung neuer innovativer Methoden zur Überwachung der biologischen Vielfalt.

Ökologie
7. Verständnis der mechanistischen Beziehungen zwischen biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen, 8. Untersuchung der Reaktionen der biologischen Vielfalt auf verschiedene Stressfaktoren, 9. Untersuchung der ökologischen und evolutionären Reaktionen von Organismen, Gemeinschaften und Ökosystemen auf den globalen Wandel.

Management
10. Evaluierung von Renaturierungsmaßnahmen, 11. Entwicklung von Bewirtschaftungsstrategien im Einklang mit den Szenarien für „Nature Futures“, 12. Erarbeitung von landschaftlichen Perspektiven für die Bewirtschaftung und ökologisch verträgliche Staudammbau- und Betriebskonzepte

Sozioökologie
13. Einbeziehung der Sozialwissenschaften in die Biodiversitätsforschung, 14. Methoden zur Bewertung von Kompromissen zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen, 15. Systematische Entwicklung von Bürgerwissenschaft und partizipativer Forschung.

(Quelle: hereon.de, gekürzt)

Weitere Informationen unter hereon.de


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