Nachhaltige Küsten im Klimawandel

Vor 30 Jahren hätten wir den Planeten retten können, schrieb Nathaniel Rich in dem Aufsehen erregenden Sonderheft „Losing Earth“ des New York Times Magazine 2018 (Rich, 2018). In einem internationalen Gipfeltreffen im November 1989, der Noordwijk Ministerial Conference in den Niederlanden, war ein „carbon agreement” nahezu erreicht. Die USA sollten die Führung übernehmen – doch die US-Unterschrift kam nicht zustande (Rich, 2018, Editor’s Note p. 3; Prologue p. 9). Bereits 1972 warnte der Physiker und Philosoph Klaus M. Meyer-Abich vor der globalen Erwärmung als ultimative ökologische Wachstumsgrenze (Meyer-Abich 1972) in seiner Antwort auf den Bericht an den Club of Rome über die Grenzen des Wachstums (Meadows et al., 1972).

Der Klimawandel hat Auswirkungen auf Küsten und Meere, somit auch auf die Mensch-Natur-Beziehungen. Dies ist der Focus des nachhaltigen Küstenmanagements, das fachübergreifend verschiedene Universitätsdisziplinen (interdisziplinär) vereint und zugleich außeruniversitäre Akteure (transdisziplinär) einbezieht.

Das Buch „Coastal Management Revisited: Navigating towards Sustainable Human-Nature Relations“ (Glaeser und Glaser, 2023) erzählt ein Stück Wissenschaftsgeschichte, von 25 Jahren Forschung zu Nachhaltigkeit an Küsten und Meeren mit stets sich verändernden Perspektiven in tropischen und gemäßigten Klimazonen auf drei Kontinenten. Das Erkennen verschiedenster Nutzerkonflikte an Küsten, von Tourismus über Hafenausbau und Fischerei bis Offshore Windkraft, erweiterte sich zu Überlegungen über "good governance" mit ethisch-politischen Imperativen. Der Tsunami-Schock in Südostasien 2004 und der Fast-Untergang von New Orleans durch den Wirbelsturm Katrina 2005 veränderten Alles und lenkten die totale Aufmerksamkeit nicht nur der Politik, sondern auch der Forschenden, auf Naturkatastrophen und Klimawandel. Globaler Wandel in Wechselwirkung mit regionalen und lokalen Fallstudien erzeugte schließlich den Gedanken einer Typologisierung von Küsten. Soziale und ökologische Systeme werden in ihren Verknüpfungen berücksichtigt, theoretisch sowie im Hinblick auf Antworten durch Politik und Märkte, mit dem Ziel nationaler bis globaler Regulierung.

Meere sind neben den Wäldern unsere wichtigsten Hitzesenken und somit Klimaregulatoren. Nationale Strategien wie die Deutschlands stärken das integrierte und nachhaltige Management der Küsten und Meere. Zu den Schlüsselaufgaben gehören räumliche und sektorale Planung zu Wasser und zu Land, Evaluierungskriterien und Monitoring, inter- und transdisziplinäres Vorgehen zur Strategieumsetzung.

Aus internationaler Sicht bedarf es einer weiteren, generischen Perspektive, um einen Querschnitt der Klimazonen, politischen Systeme, spezifischen Probleme und ihrer gesellschaftlichen Antworten zu erhalten. Eine Typenbildung der Küstensysteme auf verschiedenen Ebenen mit differenzierten  Variablen ist ein nützliches analytisches Instrument, um Bausteine für eine solche Perspektive zu liefern. Eine derartige, umfassende Typenbildung soll aber auch als Planungsinstrument dienen und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele an Küsten und Meeren erleichtern.

- Bernhard Glaeser -

Glaeser, B. & Glaser, M. (Eds. 2023). Coastal management revisited. Navigating towards sustainable Human-Nature Relations. Cambridge Scholars Publishing, Cambridge/UK: i-xvi, 1-281.

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Referenzen

Meadows, D.H., Meadows, D.N., Randers, J. & Behrens III. W.W. (1972). The limits to growth. A report for the Club of Rome’s project on the predicament of mankind. Potomac Associates – Universe Books, Washington, DC.

Meyer-Abich, K.M. (1972). Die ökologische Grenze des Wirtschaftswachstums. In: Umschau, Vol. 72/20: 645-649. Nachdruck 1973 (gekürzt): Die ökologische Grenze des bisherigen Wirtschaftswachstums. In: Forschung 74. Berichte aus Wissenschaft und Technik. Fischer, Frankfurt: 13-18.

Rich, N. (2018). Losing earth. New York Times Magazine. August 5, 2018.

Kurzbiographie

Bernhard Glaeser ist Professor für Soziologie im Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin mit dem Schwerpunkt Umwelt und Entwicklung. Er leitete Forschungsprojekte zur nachhaltigen Entwicklung im ländlich-agrarischen Raum und an Küsten in Deutschland, Schweden, Tansania, China und Indien, zudem war er als Berater und Mitarbeiter des indonesisch-deutschen Küstenprojekts „SPICE“ tätig. Glaeser war 1987–2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie, seither Ehrenpräsident. Nach dem Studium der Philosophie und Wirtschaftswissenschaften war Glaeser Geschäftsführer eines Textilbetriebs in Berlin (West), wissenschaftlicher Assistent der AG Umweltschutz am Botanischen Institut der Universität Heidelberg, Projektleiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Professor (Lehrstuhl) für Humanökologie an der Universität Göteborg und Direktor der nationalen Küstenforschung Schwedens „SUCOZOMA“. Glaeser ist Gründer und Mitherausgeber der Buchreihe „Routledge Studies in Environment, Culture, and Society“ (RSECS, United Kingdom).


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